The Sparkles – Ep. 4 „Ich will Eure Blinker sehen“

Und hier ist sie! Zeitgemäß die Story zur „Situation“

Wir kennen sie alle, die Anekdoten aus der Veranstaltungsbranche. The Sparkles, unsere fiktive Band samt Crew, erlebt diese Stories auf ihre eigene Weise, zu unserer Unterhaltung! Mal witzig, mal traurig, mal kritisch, wie im richtigen Leben auf der Straße 😉

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Episode 4 – ich will eure Blinker sehen

Juli 2020. Zwei Wochen nach #NIGHTOFLIGHT2020. Die Covid 19-Pandemie hatte die Welt im Griff und das, was man als Kultur bezeichnete, fand von einem Tag auf den anderen nicht mehr statt. Nebenbei wurde in Deutschland die zweitgrößte Branche abgewickelt, da jeder, vom Künstler bis zum Techniker, vom Security bis zum Caterer, vom kleinen Club bis zur größten Arena, der Existenz beraubt, Opfer der unausgegorenen und absurden Hilfskonzepte seitens der Regierung geworden war.

Besonders hart traf es Soloselbständige. Wer sich nicht beruflich umorientieren konnte, wartete im Prinzip auf sein Ende, nachdem man alle Rücklagen für die Altersabsicherung aufgebraucht hatte.

Plötzlich erfuhren die Autokinos eine Renaissance, da man auf diese Weise Hygienekonzepte einhalten konnte. Heute Abend sollten „The Sparkles“ zum ersten Mal seit vier Monaten wieder vor Publikum auftreten. In der Autoarena Oberhausen.

„Ich konnte es nicht fassen. Es war fast wie ein Schock.“; sagte Larissa, die bei Peter im Auto saß.

„Ging mir ähnlich. Wer hat es dir gesagt?“. fragte Peter, der Saxophonist der Sparkles.

„Max.“, antwortete die Leadsängerin.

„Ah, OK.“ Beide schwiegen eine Zeitlang. Dann seufzte Larissa.

„Ein Gig. Kaum zu glauben.“

„Ein Autokinokonzert“, korrigierte Peter. „Aber immerhin.“

„Scheiß Corona.“ „Yep.“

„Aber wieso so viel Gage?“, fragte Larissa. „Ich hatte noch nie 4000,-€“

„Hase, die Kohle ist für uns alle zusammen.“ „Oh.“

Eine Pause entstand. Peter hupte. Ein Geräusch, das unsere Freunde an diesem Tag nicht zum letzten Mal hören sollten.

„Eigentlich treten wir vor Autos auf“, meinte Larissa. „Messerscharf kombiniert“, bestätigte Peter.

Während die Künstler anreisten, hatte sich die Crew schon längst im Venue eingefunden, um sich um die Technik zu kümmern.

Jonas, der Toningenieur der Sparkles, stand mit den anderen Crewmitgliedern im Cateringbereich. Im Zuge der Hygienevorschriften mit dem nötigen Abstand.

Dann sind wir ja wieder vollzählig. Ein Fest für mich. Was ist mit Jitter und Glich?“, fragte er in die Runde. Er meinte Sophia und Kai, die sich üblicherweise um die Bühne kümmerten. Sie traten stets als untrennbares nerdiges Duo auf.

„Die können heute nicht. Die haben Spargelernte oder so was. Wollen aber abends zur Show kommen“, sagte Rolf, der Lichtoperator.

„Gespannt, wie die ohne Auto in ein Autokino kommen wollen“, grummelte Lennart, der Monitormischer. Gelächter. Da ertönt eine tiefe laute Stimme: „Na, ihr Deppen? Ausladen? Gleich kommen noch drei Trucks. Die machen auch Spaß!“

Im Eingangsbereich schob sich eine große breitschultrige Gestalt zur Kaffeemaschine durch. Jupp, der Trucker der Band war angekommen.

Der technische Aufwand reduzierte sich um das Licht, das vom Örtlichen gestellt wurde, und die Beschallungsanlage, da das Signal an den UKW-Sender übergeben wurde. Entsprechend fuhr Jupp nur einen 16t-LKW ans Load Out. Nach zwei Stunden war das Gröbste erledigt und man traf sich bei einer Kaffeepause am LKW. Jupp nannte das Fahrzeug abfällig seinen „City-Flitzer“.

„Vermiss meinen Dicken!“, sagte er melancholisch. „Was habt ihr so getrieben in letzter Zeit? Ich hab mich ein bisschen mit Stückgut rumgeärgert und festgestellt, das ist es nicht.“

„Ich kellner ein bisschen“, sagte Jonas.

„Ich war die letzten drei Wochen durchgängig besoffen. Also wenn ihr seht, dass ich schwitze, liegt es nicht an körperlicher Arbeit. Das ist der Entzug“, erklärte Rolf.

„Hätte ich direkt vermutet“, meinte Jupp.

„Ich verbrauche gerade meine Ersparnisse. Deshalb finde ich das schon cool hier. Aber wie das mit dem Publikum wird, keine Ahnung. Daumen runter erstmal“, sagte Lennart, der Monitormann. „Hab trotzdem zwei Atmos aufgebaut wegen… Keine Ahnung warum.“

„Keine Subs. Das ist echt krank“, meinte Jonas.

„Licht ist auch abgespeckt. Noch nicht mal ein Medienserver, wo ich Content auf die LED Wand kriege“, sagte Rolf.

„Dann mach vorne hell und hinten schön. Der Örtliche ist froh, wenn er ohne Verlust hier raus geht. Der zahlt die Technik. Und immerhin bekommen wir im Gegensatz zu den Künstlern volle Gage!“, schimpfte Jupp.

„Vielleicht wird es ja gut“, sagte Jonas.

Nach und nach trafen die Musiker ein und der Soundcheck verlief unerwartet reibungslos. Zur „Silent Stage“ -dank IN EAR Monitoring- kam die Tatsache, dass es keine PA gab, die den Sound auf der Bühne beeinflusste.

Am Ende überkam alle eine gewisse Euphorie. Vor allem Jonas, der sein Pult einfach in den LKW gebaut hatte, war begeistert von dem Ergebnis, das aus seiner abhöre kam.

Schon ab 17:00 Uhr trafen die ersten Autos ein. „Einlass auf Rädern“, nannte es Jupp.

Aus den Autoradios der PKW kam von Anfang an unterschiedliche Musik. Eine Kakophonie. Mit der Dämmerung steigerte sich die Nervosität der Künstler. Die folgenden Stunden schienen ewig zu dauern. Das portionierte Essen riss auch keinen vom Hocker, irgendwann hatte jeder dem anderen alle Geschichten aus der Quarantäne erzählt, aber dann war es soweit. Man versammelte sich hinter der Bühne.

„Ey, ich will nicht angehupt werden“, sagte Larissa. „Wer von denen fährt überhaupt? Die sind doch jetzt schon alle besoffen.“

„Nicht unser Problem. Lass uns rocken. Showtime!“, meinte Max, der Gitarrist der Sparkles und reichte ein Tablett mit kleinen Schnäpsen herum. Jeder nahm ein Pinnchen und man stieß an. Dann ging es los.

Der seltsame Anblick, der sich von der Bühne aus bot, hatte anfangs etwas Dystopisches, aber bereits beim zweiten Song schien das Eis gebrochen. Kaum einer der Gäste saß noch in seinem Auto. Viele saßen auf der Motorhaube oder auf dem Dach. Man hatte batteriebetriebene Ghettoblaster dabei und Jonas mochte sich kaum vorstellen, wie das insgesamt auf dem Platz klang. Aber die Fans waren zufrieden und feierten die Band hemmungslos im Rahmen ihrer hygienebeschränkten Möglichkeiten. 

„Ich will eure Blinker sehen!“, rief Larissa zum gefühlt hundertsten Mal. Lautes Gehupe begleitete die Performance der blinkenden Lichter. Die Band gab alles und bekam ein Vielfaches zurück. Nach vier Zugaben verließ die Band endgültig unter tosendem Gehupe die Bühne.

Völlig erschöpft standen die Musiker mit dem erforderlichen Abstand hinter der Bühne und redeten durcheinander. Die Techniker hatten sich gerade zu ihnen gesellt, da kamen Sophia und Kai johlend mit einer Kiste Bier um die Ecke. Sie wurden mit gebührendem Applaus empfangen. Nun war auch die Crew wieder komplett. Aus Hygienegründen prostete man sich zu, ohne anzustoßen.

„Jitter und Glitch! Schön, dass ihr gekommen seid“, sagte Lennart.

„Das war doch…“ „…Ehrensache!“, vervollständigte Kai in gewohnter Weise Sophias Satz.

Alle lachten.

„Fazit?“, fragte Jupp.

„Keine Ahnung, wie ihr das seht. Aber ich gebe einen Teil von meinem Tagessatz an Jitter und glich ab, damit die uns beim Abbau helfen…“

Zustimmendes Gemurmel setzte ein.

„…der Örtliche hat Glück, wenn er mit ner schwarzen Null rausgeht, die Band hat weniger Gage, dem Publikum hat es gefallen, wir hatten Spaß und jeder kann jeden Cent gebrauchen“, fuhr Jonas fort. „Also, selbst wenn das nicht die Zukunft sein kann. Irgendwie war es wie eine Therapie, die ich echt nötig hatte. Prost!“

„Und wie siehts jetzt aus mit einer Tour durch die Autokinos des Landes?“, wollte Jupp wissen.

„Eher machen wir…“ „…den Führerschein!“, antworteten Sophia und Kai.

Fortsetzung folgt…

Text: Tom Fuhrmann – tomfuhrmann blog
Illustration: Friederike Lenz – www.friederikelenz.de

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